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Der erste Mai - auch ohne Kundgebung stehen wir zusammen

von Klaus Barthel (AfA-Bundesvorsitzender)

 

Das Corona-Virus zwingt uns zur Isolation. Dabei haben wir Zusammenhalt - Gesellschaft und Solidarität - so dringend nötig. Und: Wir brauchen ganz besonders Arbeit.

Die wirtschaftliche Vollbremsung beweist: Keine Fabrik, kein Büro funktioniert ohne Menschen. Das Home-Office kann teilweise den Laden kurzfristig am Laufen halten. Die Arbeitswelt braucht aber Menschen im Logistikzentrum, als Fahrer, Anbieter von Produkten und Dienstleistungen.

Unternehmer, Manager, Betriebswirte erkennen: Der Staat kann Unternehmern zwar Lohnkosten ersetzen. Das gleicht jedoch den Schaden nicht aus: den Ausfall der Arbeit vor Ort.

Plötzlich bejubeln Medien und Politiker die Arbeit der Menschen, die bisher im Schatten der Leistungsträger für wenig Geld und Würde schuften: von VerkäuferInnen über Pflege- und Verwaltungspersonal sowie Zusteller und Fahrer bis hin zu den Werkvertrags- und Saisonarbeitskräften aus Osteuropa, deren Dumpinglöhne zeigen, dass hier niemand davon leben kann.

Für un als Gewerkschafter und Vertreter der SPD-Arbeitnehmerorganisation ist das nicht neu. Arbeit, Solidarität, Sozialstaat, anständige tarifliche Bezahlung, funktionierende Verwaltung statt schlanker Staat, höherer Mindestlohn, betrieblicher Gesundheitsschutz: Dazu haben wir längst Forderungen gestellt.

Jetzt dürfen wir uns nicht auf bessere Zeiten vertrösten lassen wie nach der Finanzkrise zwischen 2007 und 2009. Damals gab es den Abgesang auf den Neoliberalismus sowie Lob für Gewerkschaften und SPD bei der Krisenbewältigung. Was kam? Schuldenbremse, schwarze Null, vier verlorene Jahre Schwarz-gelb. Deutsche Kommunen überschuldet, Gesundheitssystem und öffentliche Verwaltung so schlank, dass es nicht mal genug Schutzmasken, geschweige denn Akutbetten und dazugehöriges Personal gibt.

Deshalb unterstützen wir die Rettungsprogramme von Bund und Ländern uneingeschränkt als ersten Schritt. Sie zeigen: Wir brauchen die vielgescholtene Politik, einen handlungsfähigen Staat.

Insbesondere jene nehmen den Staat jetzt in Anspruch, denen er mit seinen Regeln und Steuern nichts als ein lästiges Wettbewerbshindernis zu sein schien. Wir müssen aufpassen, dass nicht schon wieder die Rettungsprogramme zum Selbstbedienungsladen der Konzerne und Abzocker werden.

Deshalb kämpfen wir an der Seite der Gewerkschaften für eine gesetzliche Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. Maximal 67 Prozent sind zu wenig. Für viele bedeutet das Armut und Grundsicherung. Deutschland darf beim Kurzarbeitergeld nicht Schlusslicht in Europa bleiben. Abwehren müssen wir jeden Versuch, im Schatten der Krise den Arbeitsschutz aufzuweichen. Weshalb soll es ausgerechnet jetzt erlaubt sein, Geschäfte am Sonntag zu öffnen? Betriebs- und Personalräte stehen vernünftigen Regelungen sicher nicht im Wege.

Schnell handeln müssen wir bei den Arbeitsbedingungen in den Branchen, die derzeit mit Dankesreden überschüttet werden: Personalstärke in Kliniken, Flächentarif in der Altenpflege und im Einzelhandel liegen in den Schubladen. Diese müssen geöffnet werden, bevor diese Reden verklungen sind.

Unmittelbar nach der Krise stehen größere Projekte an:


  • Reform der Betriebsverfassungs- und der Personalvertretungsgesetze, Ausbau der Unternehmensmitbestimmung.
  • Umbau der Wirtschaft hin zu Umwelt- und Klimaschutz unter Mitsprache der Beschäftigten.
  • Gerechte Finanzierung der Krisenfolgen und Neuausrichtung des Steuer- und Abgabensystems.
  • Sicherung der Sozialsysteme, allen voran Gesundheit und Rente. Bürgerversicherung für Kranken- und Pflegekassen, Erwerbstätigenversicherung bei der Rente.
  • Menschliche Gestaltung der Arbeitswelt mit Gesundheits- und Arbeitsschutz, Qualifizierung, Begrenzung von Arbeitszeit und -belastung.

An diesem 1. Mai erinnern wir zudem an wichtige Daten. Vor 130 Jahren wurde erstmals der „Tag der Arbeit“ international, kämpferisch und feierlich begangen - begründet von der Arbeiterbewegung, Sozialdemokratie und Gewerkschaften. Vor 100 Jahren sicherten Sozialdemokraten und Gewerkschaften nach hartem Kampf erstmals Betriebsräte gesetzlich ab.

Wer heute Rechtsextremismus, Rassismus und die Gefahr für die Demokratie beklagt, muss deren soziale Ursachen benennen. Sie liegen vor allem in der sich immer weiter zersplitterternden Arbeitswelt mit immer weniger Tarifbindung und Schutz durch Betriebsräte und Gewerkschaften. Zukunftsängste nehmen zu. Deshalb machen wir am Tag der Arbeit klar: Demokratie, Freiheit, gute Arbeit, soziale Gerechtigkeit, friedliches und solidarisches Miteinander hängen untrennbar zusammen. Und das nicht nur zur Virus-Zeit!

 


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